SOS-Kinderdorf Berlin

SOS-Kinderdorf, Sara Contini-Frank

Das SOS-Kinderdorf aus der Waldstraße ist eines von 15 Kinderdörfern in Deutschland. Diese soziale Organisation wurde kurz nach dem Zweiten Weltkrieg von dem Medizinstudenten und Ministranten Hermann Gmeiner gegründet. Er wollte Kindern, die ihre Eltern verloren hatten, ein wärmeres Zuhause geben, als wie weit verbreiteten Kinderheime. Die Kinder wachsen in kleinen, sogenannten Kinderdorffamilien auf. Er hat es geschafft: Mittlerweile gibt es rund 2.300 SOS-Einrichtungen in 130 Ländern.

Das Kinderdorf in der Waldstraße ist dabei das erste, das in einer deutschen Großstadt entstanden ist. Entsprechend innovativ ist das Konzept: Die Kinderdorffamilien werden von zahlreichen Angeboten flankiert, man begegnet sich entweder in der Kita oder im Mehrgenerationenhaus. Zur Freude von Kindern, Erwachsenen und Senioren gibt es einen abwechslungsreichen Kursplan und jede Menge Beratungsangebote.

Ein Geheimtipp ist das regelmäßig stattfindende Erzählcafé: Die Gäste sind Zeitzeugen aus dem Bezirk oder sozial engagierte Menschen, zum Beispiel Rahim Shirmahd vom Atelier Café. Die Erzähler sprechen über ihre Erfahrungen und man kommt schön ins Gespräch. Morgen ist dort Andreas Rauhut vom REFOMoabit zu Gast. 

Und hier das Interview mit Barbara Winter, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit im SOS-Kinderdorf …

Seit wann gibt’s das SOS-Kinderdorf Berlin-Moabit?
2004 sind wir hier eingezogen. Vorher gab es ein kleineres Büro in der Emdener Straße und ein Ladenlokal. Da hieß das Ganze noch KiFaz, Kinder- und Familienzentrum. Aber im Oktober vor 10 Jahren haben wir den Neubau in der Waldstraße eröffnet.

Wie kamen Sie zum SOS-Kinderdorf und was haben Sie davor gemacht?
Am Anfang habe ich freiberuflich als Texterin gearbeitet und damals auch schon für das SOS-Kinderdorf Broschüren etc. geschrieben. Seit 2009 bin ich hier fest angestellt.
Vor der Zeit als Selbstständige war ich Texterin in Werbeagenturen. Studiert habe ich Anglistik und Germanistik in Gießen.

Woher kommen Sie?
Aus der Nähe von Gießen: Vogelsberg, Lauterbach … vom Land!

Was sind Ihre ersten Moabit-Erinnerungen?
Das war 1992, als ich nach Berlin gekommen bin: Ich hatte eine Anzeige in der Zeitung gelesen, dass eine Rollstuhlfahrerin eine tägliche Betreuung sucht, und habe ich mich deshalb bei ihr vorgestellt – ich habe aber noch gar nicht gewusst, dass ich in Moabit war. Vor ein paar Monaten war ich dann hier in Moabit unterwegs, bin durch die Stephanstraße gekommen, und habe das Haus wieder erkannt!

Weshalb steht das SOS-Kinderdorf hier in Moabit?
Als die Entscheidung feststand, das SOS-Kinderdorf kommt auch nach Berlin, haben wir uns in den verschiedenen Stadtteilen umgeguckt: Es wurde zuerst geschaut, wo Notwendigkeit besteht. Neben Kreuzberg war Moabit der Bezirk mit dem größten Unterstützungsbedarf. Dann hat natürlich den Ausschlag gegeben, wo das passende Grundstück war, und das war eben hier.

Wer lebt im SOS-Kinderdorf?
Die SOS-Kinderdorffamilien bestehen aus einer Kinderdorfmutter mit sechs Kindern. Die Kinder kommen aus Familien mit schwierigen Verhältnissen und können aus unterschiedlichen Gründen nicht bei ihren Eltern leben. Das Jugendamt weist uns die Kinder zu. Sie stammen meist aus Berlin bzw. aus Moabit, so können sie den Kontakt zu den Herkunftsfamilien aufrechterhalten, ihre Schule bzw. Kita weiter besuchen und auch ihre Freunde behalten. Die Kinder leben hier mit der Kinderdorfmutter und zwei zusätzlichen ErzieherInnen. Wie in jeder anderen Familie ist es sehr langfristig angelegt, bis zur Verselbstständigung, wenn die Jugendlichen dabei begleitet werden, auf eigenen Füßen zu stehen.

Was für Menschen kommen von außen hierher? Mit welcher Motivation?
Ganz unterschiedlich und das ist das Schöne, so eine große Palette von Menschen. Zum einen kommen Eltern ganz unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft mit ihren Kindern hierher, entweder weil sie sich einfach ihre Zeit vertreiben oder ganz konkret Unterstützung haben wollen. In die Cafeteria kommen die Mitarbeiter aus den Büros, um zu Mittag zu essen. Ältere Leute kommen entweder ebenfalls zu Mittag oder zu den Seniorenangeboten. Und Kinder, die die Kunstwerkstatt besuchen, oder Kurse wie den Tanz- und den Karatekurs. Im Moment außerdem ziemlich viele Flüchtlinge, vor allem aus Syrien.

Welche Angebote werden am meisten wahrgenommen?
Was im Sommer sehr gut angenommen wird, sind die Straßenspiele vor dem Haus: Die Kinder und Familien wissen, sie können hier spielen bzw. erzählen und Kaffee trinken. Auch das Familiencafé wird nachmittags zu einem regen Anlaufpunkt: Es sind viele verschiedene Angebote wie ein Basteltisch, Mitmachessen, Spiele …

Wer arbeitet im SOS-Kinderdorf?
Im Moment arbeiten hier fast 100 Leute, die meisten sind pädagogische Kräfte, viele arbeiten in der Verwaltung. Außerdem haben wir FSJler und Praktikanten, die in der Ausbildung sind und bei uns längere Praktika leisten.

Was ist das Kurioseste, was hier je passiert ist?
Wir haben hier dank einer großzügigen Spende einen Hühnerhof mit Kräuter- und Gemüsegarten einrichten können. Die Hühner sind eine große Attraktion, sie leben aber natürlich nicht ewig bzw. sind irgendwann einfach altersschwach. Wir haben uns dafür entschieden, sie dann an den Zoo zu geben, wo sie zu Tierfutter werden. Jurij, der sich um die Tiere kümmert, möchte das den Kindern aber nicht so gerne sagen … Letztes Mal, als sie weggebracht wurden, kamen Kinder aus der Kita und haben ihn nach den Hühnern gefragt. Daraufhin meinte er, sie wären in den Süden geflogen! Hinterher haben wir dann gefeixt „Jurij, du bist dran schuld, wenn die Kinder irgendwann in der Schule sind und schreiben, dass Hühner Zugvögel sind“.

Moabit war …
… ein typischer Arbeiterbezirk.
Moabit wird …
… noch lebendiger und bunter.
Moabit braucht …
… viele engagierte Menschen, die mitdenken und mitmachen.


SOS-Kinderdorf Berlin-Moabit
Waldstraße 23/24
10551 Berlin
Öffnungszeiten Cafeteria: Mo.-Fr. 9:00–18:00
Telefon: 030 330 99 30
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